Nur gemeinsam können wir etwas erreichen!
Forderungen der Familien, der freien Träger und der Kommunen im Landkreis Gifhorn an das Land Niedersachsen
Alle an der Kinderbetreuung Beteiligten erwarten eine qualitativ hochwertige und verlässliche frühkindliche Bildung im Landkreis Gifhorn. So plakativ es auch klingen mag, verdeutlicht diese Aussage die Konsequenzen der aktuellen Notsituation: Wo zwei pädagogische Fachkräfte ausfallen, fehlen an anderer Stelle 25 Eltern als ArbeitnehmerInnen!
Langfristig kann sowohl die Qualität als auch die Verlässlichkeit der Betreuung in Kindertagesstätten nur durch Eines sichergestellt werden: Eine Anpassung des aktuellen Betreuungsschlüssels. Die Experten der Bertelsmann-Stiftung weisen seit Jahrzehnten darauf hin, dass sich die Rahmenbedingungen anpassen müssen. Um flächendeckend gute Bildungschancen ermöglichen zu können, fordert die Bertelsmann-Stiftung die Einführung eines bundesweiten Personalschlüssels von 1:3 für Gruppen mit Kindern, die unter 3 Jahre alt sind, und 1:7,5 für Kindergartengruppen
(Kinder ab 3 Jahren bis zur Einschulung). Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen (Klusemann / Rosenkranz /Schütz / Bock Famulla 2023) stützen diese Forderung. Die Realität sieht allerdings so aus, dass in Niedersachsen rund 56 % aller KiTa-Kinder in Gruppen mit nicht-kindgerechten Personalschlüsseln betreut werden (Ländermonitor
Frühkindliche Bildungssysteme 2023).
In der aktuellen Notsituation, in der sich das System Kindertagesbetreuung im Landkreis Gifhorn befindet, braucht es jetzt aber kurz- und mittelfristige Lösungen und Entlastungen. Diese sind in erster Linie vom Land Niedersachsen herbeizuführen und zu finanzieren. Vor diesem Hintergrund fordern wir:
Qualität und Verlässlichkeit
Anspruch auf „Kita-Ausfall-Tage“ pro Kind / Personalschlüssel:
- Analog den Regelungen der „Kind-krank-Tage“ sollten Eltern die Möglichkeit haben, innerhalb eines rechtssicheren Rahmens im Innenverhältnis mit ihrem Arbeitgeber im Falle von Schließungen / Kürzungen sog. „Kita-Ausfall-Tage“ in Anspruch zu nehmen. Voraussetzung sollte eine Bestätigung der Kita sein, dass die Betreuung aufgrund der personellen Notsituation nicht gewährleistet werden kann – hier kämen 20 Tage pro Kind in
Betracht und den Eltern ist ein voller Verdienstausfall vom Land
Niedersachsen zu zahlen. - Als langfristiges Ziel zur Erhöhung der Qualität, zur Erfüllung des Bildungsauftrages sowie zur deutlichen Verbesserung der
Arbeitsbedingungen für die pädagogischen Fachkräfte ist der
Personalschlüssel entsprechend den Empfehlungen der
Bertelsmann-Stiftung heraufzusetzen. Um dieses Ziel zu
erreichen, müssen kurzfristig die folgenden
Rahmenbedingungen erfüllt werden:
Personelle Rahmenbedingungen:
Handlungsspielraum in der Auslegung der Gesetzgebung. Verantwortung und Vertrauen in die Einrichtungsleitungen
- Die Freistellung der Leitungskräfte sollte auf 7,5 Stunden pro
Gruppe erhöht werden, für die erste Gruppe auf 10 Stunden. - Absenkung oder Erweiterung der Personalstandards in
Notsituationen, z. B. Anwesenheit von einer pädagogischen
Fachkraft und einer anderen geeigneten Person durch Erhöhung der Notsituationstage von 3 auf 10 Tage pro Monat (§ 11 Abs. 6
NKiTaG) - Einsetzen von zwei Sozialpädagogischen AssistentInnen in der Kernzeit in Notsituationen im Ermessen der Einrichtungsleitung und in Absprache mit dem Träger
- Wiedereinführung der alten Regelung: 1 Fachkraft für 10 Kinder in Mittags-, Pausen- und Randzeiten
- Multiprofessionelle Teams (andere Berufsgruppen – wie z.B.
ErgotherapeutInnen und LogopädInnen - müssen mit
adäquater Vergütung als Fachkräfte eingesetzt und bezahlt
werden) - Abbau der Bürokratie, Statistiken, Bildungsdokumentation (sehr
zeitintensiv für die pädagogischen Fachkräfte) und dafür mehr Zeit für die Arbeit am Kind
Ausbildungsanpassung
Vereinheitlichung der Ausbildungsstandards und des Lehrinhaltes. Ein Abschluss muss bundesweite (besser noch EU-weite) Anerkennung haben (resp. kurze Prüfungsverfahren)
- Bezahlung der Berufsausbildung bis zum Abschluss
SozialassistentInnen, dann bis zum Abschluss ErzieherInnen - Ausbau der Bildungslandschaft und Studienplätze insb. für
Berufsschullehrkräfte - Öffnung der Ausbildungszentren für qualifizierte
QuereinsteigerInnen aus der Praxis - Großzügige Anerkennung von Bildungsabschlüssen in der
frühkindlichen Bildung - Bundesweit einheitliche Tarifbedingungen würden die
Personalgewinnung und -bindung und damit das Ziel „Ausbau
der Angebote der Kindertagesbetreuung“ voranbringen - Unbürokratische und zeitnahe Anerkennung ausländischer
Qualifikationen
Finanzielle Rahmenbedingungen
Verlässliche, auskömmliche und niederschwellige Finanzhilfe
durch das Land Niedersachsen
- Anhebung der Personalkosten / Finanzhilfesatz des Landes auf 75% der tatsächlichen Personalkosten, sowie Überprüfung der derzeitigen Finanzhilfepauschale von 58% für die
unterschiedlichen Berufsgruppen an den tatsächlichen
Personalkosten der Kommunen (im Schnitt betragen diese
zurzeit nach Berechnungen des NSGB in Niedersachsen nur
41%) - Verschlankung der Vorgaben zur Finanzhilfe und mehr
Spielraum für den Personaleinsatz für die Kommunen und die
Träger - Vollständige Gegenfinanzierung der für die Erteilung der
Betriebserlaubnis notwendigen und reell vorgehaltenen
Vertretungsreserve - Keine zeitlich begrenzten Fördermittel für neue Konzepte,
sondern Verschlankung und beständige verlässliche Strukturen - Verstetigung der dualen Ausbildung (nach § 30 NKiTaG) für
Sozialassistent*innen und analog die Finanzierung einer dualen Ausbildung für Erzieher*innen mit Ausbildungsgehalt ab dem
ersten Tag - Anerkennung der KinderpflegerInnen-Ausbildung mit einer
Berufserfahrung von mehr als 10 Jahren als Erstkraft.
Gleichstellung mit Erzieher*innen im Entgelt und der
Finanzhilfepauschale - Für jede Einrichtung ist eine stellvertretende Leitung
verpflichtend einzurichten und mit mindestens 5
Wochenstunden durch die Finanzhilfe zu finanzieren. - Finanzierung von Krisenmanagement / Fachberatung /
Fachkraft für Kinderschutz / Supervision anhand von
Betreuungsplätzen in den Einrichtungen durch die Finanzhilfe (2 Wochenstunden pro Gruppe und Woche), zum Beispiel auch
wenn weitere geeignete Personen in die Einrichtungen
kommen. - Eine vom Land finanzierte jährliche Pauschale pro
Betreuungsplatz zur sächlichen Ausstattung und für räumliche Anpassungen von Kindertagesstätten an die sich verändernden
Rahmenbedingungen: pauschal, ohne Bürokratie und ansparbar für größere Veränderungen - Abschaffung der Zweckbindung in den Zuwendungsbescheiden für Krippenplätze, auch rückwirkend, zur Finanzierung von
Betreuungsplätzen altersunabhängig für alle Gruppen des
NKiTaG. Zurzeit dürfen leerstehende Krippengruppen nicht für Kindergartenkinder genutzt werden, ansonsten muss die
Förderung zurückgezahlt werden.
Dieses Positionspapier wurde von ElternvertreterInnen, Trägern und Kommunen aus dem Landkreis Gifhorn zusammengestellt. Gerne sind wir zu Gesprächen zu diesen Punkten bereit, werden uns aber auch nicht scheuen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Quelle: chng.it/xLdYPjwmjN